Pedro Félix Novoa – Zur Knotenschrift der Inkas

<<Por el Arte de los Quipus von Ofelia Huamanchumo ist ein Kurzroman in agiler Prosa und mit anregenden, kritischen Anklängen an die Liebe zur Kunst im Allgemeinen, aber vor allem zur Literatur im Speziellen. Die Handlung, mit Zügen eines Detektivthrillers, bietet durch die Verschachtelung einer allwissenden Erzählerstimme, die uns die Aufklärung des Mords an Paläograph Martin Saavedra Luján erzählt, und den Blogeinträgen seiner Kollegin und vermeintlichen Mörderin Covadonga Fombellida eine relativ einfache Einteilung. Die Handlungsstränge sind zu Beginn noch unabhängig, laufen aber nach und nach zusammen und bilden schließlich ein konzises und kompaktes, erzählerisches Geflecht von beachtlicher Genauigkeit. Der Roman spielt mit Spannung, springt in die Vergangenheit und erschafft mit diesen kurzen, zeitlichen Ausflügen durch gewandten und funktionalen Schliff die Atmosphäre der Stromausfälle und des Terrors im Lima der 80er Jahre. Danach kehrt die Handlung zurück ins heutige Lima, in das Lima, in dem das Heute mit Kolonialvergangenheit zusammenlebt, mit einer noch nicht verstandenen oder interpretierbaren Vergangenheit, die nicht einmal sich selbst versteht. Der Roman ist eine Röntgenaufnahme der Geschichte, die nicht passiert ist, die passieren sollte, die von einem literarisch fehlenden Glied erzählt, einen Mechanismus, der unmöglich zu entschlüsseln ist. . […] Der Roman schneidet gewisse Themen der Büchermafia, des Buchhandels, traditioneller Orte wie der Büchermarkt in der Amazonas-Gasse in der Innenstadt an, Orte, die mit der Ungewissheit leben, die sie mit dem Pittoresken des Stadtrandes verbindet, oder den underground der Bücher. Der Roman entfaltet eine fließende Sensibilität, bringt uns mit feinen und einladenden Augen gewissen Orten der peruanischen Hauptstadt näher. Er hält an Klöstern inne, staunt über die Architektur im Stil des Churriguerismus, die Leute von Heute existieren unter diesem kritischen Blick nicht und nichts ist zufällig. Es handelt sich um eine fast exotistische Vision, beladen mit der Komplexität des Bücherfetisch, um Visionen, die eher auf das Buch als auf die Literatur als solche bezogen sind, eher auf das Historische als auf die lebendige und reale Geschichte konzentriert. Die Figuren kämpfen darum, sich durchzusetzen, die Handlung streut Hinweise, die der Leser sammeln muss, um die narrativen Knoten zu lösen wie einen Roman-Khipu. Die zunächst losen Fäden verbinden sich, erklären sich in der bis ins Detail geplanten narrativen Entwicklung. Mit seiner präzisen und raschen Sprache, den minimalistischen Beschreibungen und einer breiten Rhetorik kommt der Roman Por el Arte de los Quipus mühelos zum Höhepunkt. Der Leser hat das Khipu-Knüpfen miterlebt und hat die Nachbildung der Verbrechen in der Bücherwelt, geheime Leidenschaften, die Flucht und die beabsichtigte oder versteckte Stille miterlebt. Er hat sich vielleicht den Fund und die Lektüre der Inkunabel vorgestellt. Und in seiner Epiphanie war er glücklich.>>

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Ausschnitt aus dem vorgelesenen Text bei der Vorstellung im Literaturhaus Lima, im August 2013.

Bild: [von links nach rechts:] Pedro Félix Novoa Castillo, die Autorin, Fernando Carrasco.